Lübeck, 22. August 2019 +++ Deutsche Wirtschaft schrumpft wieder +++ Kerninflation in Europa entfernt sich weiter von 2-Prozent-Zielmarke +++ Trump setzt Fed-Chef Powell unter Druck +++ Bauzinsen erreichen erneuten Rekord-Tiefstand +++ Bestzins für zehnjährige Hypothekendarlehen: 0,42 Prozent (Stand: 21.08.2019) +++

Neuer Monat, neues Rekordtief: Bauzinsen fallen weiter

Aktuelle Wirtschaftsdaten: Deutschland ist Schlusslicht der Eurozone

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im zweiten Quartal 2019 um 0,1 Prozent gesunken: Damit landet die Bundesrepublik im ökonomischen Vergleich mit den Euro-Staaten auf dem hintersten Rang – knapp hinter dem hochverschuldeten und von politischen Konflikten gezeichneten Italien.  Der Grund für die schwache Wirtschaftsleistung: Das deutsche Exportgeschäft leidet unter der schwächelnden Weltwirtschaft, dem Handelskonflikt zwischen den USA und China und dem drohenden Chaos durch einen No-Deal-Brexit. „Hinzu kommt, dass die Automobilindustrie einen fundamentalen Wandel zu anderen Antriebstechniken und neuen Mobilitätskonzepten gestalten muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, erklärt Michael Neumann und fügt hinzu: „Auch die Politik ist verantwortlich dafür, dass es hierzulande an Innovationen und Zukunftsinvestitionen in wichtigen Bereichen wie Bildung, Infrastruktur oder Wohnen mangelt. Der Reformstau der letzten Jahre sorgt für zunehmende Standortnachteile für Unternehmen.“

Sollte sich der Abwärtstrend des BIP im kommenden Quartal fortsetzen, würde Deutschland per definitionem in einer Rezession stecken. Michael Neumann hält dieses Szenario für wahrscheinlicher als eine positive Entwicklung: „Nicht nur die deutlich rückläufige Industrieproduktion wirkt sich negativ auf die deutsche Wirtschaft aus. Die angekündigten Stellenstreichungen bei einigen Großunternehmen wie ThyssenKrupp oder Bayer dämpfen darüber hinaus allmählich den Konsum, der aktuell die tragende Säule der Konjunktur ist.“

Inflation in der Eurozone: Weit, weit weg vom 2-Prozent-Ziel

Nachdem in der letzten EZB-Sitzung am 25. Juli keine weitere Lockerung der Geldpolitik beschlossen wurde, erwartet Michael Neumann von der kommenden Sitzung eine Entscheidung über konkrete Maßnahmen. Denn: Aktuell sieht es nicht danach aus, dass sich das konjunkturelle Umfeld in den kommenden Wochen entscheidend bessert. Im Gegenteil: Der drohende Brexit wirft seine Schatten voraus und auch die gerade veröffentlichten Inflationsdaten dürften den Währungshütern nicht gefallen: Die Kerninflation in der Eurozone fiel auf 1,1 Prozent und entfernt sich damit im Vergleich zum Vormonat noch weiter von der 2-Prozent-Zielmarke. Klar ist daher: Die EZB wird handeln und die europäische Wirtschaft durch zusätzliche geldpolitische Maßnahmen stützen. Welche Instrumente konkret zum Einsatz kommen, ist hingegen offen. „Ich rechne im September eher mit einer Wiederaufnahme der Anleihekäufe oder mit einer weiteren Senkung des Einlagezinsen für Banken, als mit einer Leitzinssenkung in den negativen Bereich“, so die Prognose Michael Neumanns.

USA: die Unberechenbarkeit des Donald Trump 

Der Handelskonflikt mit China spitzte sich Anfang August zunächst zu, als die chinesische Währung Yuan deutlich gegenüber dem Dollar abwertete. Kurz darauf folgte allerdings die Nachricht, dass Trump einen Teil der Strafzölle auf Mitte Dezember verschiebt und von „sehr produktiven“ Gesprächen mit China sprach. „Trump bleibt unberechenbar. Mit der Entscheidung, die für September angekündigten Zölle auf Mitte Dezember zu verschieben, um amerikanische Weihnachtseinkäufe nicht zusätzlich zu verteuern, hat er indirekt zugegeben, dass das amerikanische Volk seine Eskalationspolitik letztlich zu zahlen hat“, erklärt Michael Neumann und prognostiziert: „Je näher die Wahl im nächsten Jahr rückt, umso wichtiger wird es Trump werden, den Handelskonflikt zu einem Abschluss zu bringen und einen Deal präsentieren zu können.“

 Obwohl die US-Wirtschaft aktuell wächst und Vollbeschäftigung herrscht, senkte die Fed im August den Leitzins. Michael Neumann erwartet trotz der positiven Wirtschaftsdaten sogar noch weitere Zinssenkungen im laufenden Jahr. „Der Handelskonflikt mit China schlägt sich auch in der US-Konjunktur nieder und hinterlässt bereits Bremsspuren. Obwohl die US-Konjunktur noch auf dem Wachstumspfad ist, hat sich die Wachstumsgeschwindigkeit merklich verlangsamt. Die Fed hat als oberste Priorität die Unterstützung der US-Wirtschaft und reagiert daher proaktiv.“ US-Präsident Trump geht die vorsichtige Lockerung der Zinspolitik nicht weit genug: Er attackierte den Fed-Chef, warf ihm vor, die USA „im Stich zu lassen“ und forderte deutlichere Zinssenkungen.

Freier Fall für Bauzinsen

Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe sinkt auf immer neue Rekord-Tiefstände, im August fiel sie erstmals unter minus 0,7 Prozent. In Deutschland sind aktuell bereits rund 90 Prozent aller Staatsschulden negativ verzinst. Auch die Bauzinsen nähern sich der Nullmarke immer weiter an. Der Bestzins 10-jähriger Hypothekendarlehen bewegt sich im August erneut auf ein historisches Allzeit-Tief von 0,42 Prozent.

Vor kurzem sorgte die skandinavische Nordea-Bank für Aufsehen: Sie plant, Immobiliendarlehen mit 20 Jahren Laufzeit ohne Zinsbelastung anzubieten. Michael Neumann ordnet das skandinavische Angebot ein: „Man darf beim Blick nach Dänemark nicht übersehen, dass nicht nur der Sollzins eine Rolle spielt, sondern auch die erhobenen Gebühren beachtet werden müssen. Werden diese Gebühren eingerechnet, ergibt sich ein Effektivzins mit einem positiven Vorzeichen. Kurzfristig halte ich es für unwahrscheinlich, dass Banken in Deutschland Immobiliendarlehen mit negativer Verzinsung anbieten – auch wenn sich Kreditinstitute schon allein aus strategischen Gründen diese Hintertür offenhalten müssen und dafür technische Vorbereitungen treffen.“

Tendenz
Kurzfristig: eingeschränktes Aufwärtspotenzial
Mittelfristig: schwankend seitwärts