Berlin, 20. Mai 2019 +++ Positive Wirtschaftsnachrichten aus Deutschland: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigt im ersten Quartal 2019 überraschend stark +++ „Ostereffekt“ sorgt für höhere Inflation im Euroraum +++ Vor der Europawahl: Angst vor Rechtsruck, Chaos in Großbritannien +++ EZB berät über Entlastung von Banken +++ Handelsstreit zwischen USA und China droht zu eskalieren +++ Baufinanzierungszinsen erreichen neuen Tiefstand +++ Bestzins für zehnjährige Hypothekendarlehen: 0,78 Prozent

Weltwirtschaft schwächelt, deutsche Wirtschaft wächst, Bauzinsen kratzen am Allzeittief

Quo vadis, Europa?

Vom 23. bis 26. Mai 2019 wird in den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union gewählt – inklusive Großbritannien. Bis zuletzt hatte Premierministerin Theresa May versucht, die Wahlteilnahme zu verhindern – ohne Erfolg. Jetzt müssen die Briten im Eiltempo nicht nur die Wahl selbst, sondern auch den Wahlkampf organisieren. Umfragen zufolge dürften die Briten sowohl die regierenden Tories als auch die Oppositionspartei Labour für das Brexit-Chaos abstrafen. Stattdessen könnte die neu gegründete Brexit-Partei stärkste Kraft werden. Kommt es tatsächlich so, dann ziehen damit zahlreiche erbitterte EU-Gegner zumindest vorübergehend ins EU-Parlament ein. Bis zum Austritt könnten sie wichtige Entscheidungen, etwa über den Haushalt oder die Wahl der neuen EU-Kommission, blockieren und die EU damit lähmen.

Gleichzeitig lassen auch Umfragen in anderen Mitgliedstaaten ein Erstarken der rechten und europakritischen Parteien erahnen. Eine Befürchtung, die auch Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG, teilt: „Ich erwarte, dass rechtspopulistische Parteien insgesamt zulegen werden.“ Ein moderater Zuwachs sei für die Finanzmärkte allerdings zu verkraften: „Einen gewissen Zulauf der rechtsextremen Parteien haben die Finanzmärkte bereits eingepreist und ich gehe auch nicht davon aus, dass wichtige Positionen mit Populisten besetzt werden“, so Neumann weiter.

EZB berät über Bankenentlastung

Im April stieg die Kerninflation im Euroraum zwar leicht – von 1,0 Prozent im März auf 1,3 Prozent. Gleichzeitig korrigierte allerdings die EU-Kommission ihre Prognose zum Wirtschaftswachstum in der EU erneut nach unten. Michael Neumann geht daher nicht davon aus, dass die positive Entwicklung der Inflation anhält: „Die Kerninflation wird sich in diesem Jahr nicht nachhaltig in Richtung zwei Prozent oder gar darüber bewegen.“ Auch die EZB erwartet keine Konsolidierung der Inflation und behält die expansive Geldpolitik zur Unterstützung der Wirtschaft bis auf weiteres bei. Aktuell beraten die europäischen Notenbänker darüber, welche geldpolitischen Maßnahmen zur Verfügung stehen, um die Banken von den Folgen der jahrelangen Niedrigzinspolitik zu entlasten.

Statistisches Bundesamt überrascht mit positiven Wirtschaftsdaten

Im vierten Quartal 2018 stagnierte das Wachstum des BIP, im dritten Quartal 2018 ging die deutsche Wirtschaftsleistung sogar um 0,2 Prozent zurück. Auch für das erste Quartal 2019 waren die Erwartungen daher wenig positiv. Das Statistische Bundesamt überrascht nun mit erfreulichen Zahlen: Die deutsche Wirtschaft legte im Vergleich zum Vorjahresquartal um 0,4 Prozent zu. Verantwortlich für das Wachstum sind vor allem die boomende Baubranche und konsumfreudige Verbraucher.

Allerdings: Das positive erste Quartal sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass 2019 insgesamt ein eher schwaches Jahr für Deutschland werden dürfte. Auch Michael Neumann erwartet, dass Deutschland im europäischen Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit verliert: „Deutschland ist nach wie vor stark vom Export abhängig. Die erneute Eskalation des Handelskonfliktes zwischen den USA und China sowie mögliche US-Strafzölle auf europäische Fahrzeuge wirken sich daher besonders negativ aus. Hinzu kommt, dass die für Deutschland wichtige Automobilindustrie vor zahlreichen Herausforderungen steht und einen fundamentalen Wandel zu anderen Antriebstechniken und neuen Mobilitätskonzepten gestalten muss.“

Probleme sieht Neumann allerdings nicht nur bei den deutschen Unternehmen, sondern auch bei der Bundesregierung: „Die Ambitionslosigkeit und der Reformstau dieser und der letzten Bundesregierung führen immer mehr zu Standortnachteilen für Unternehmen. Es fehlt an wichtigen Zukunftsinvestitionen in Bildung, Infrastruktur oder Wohnen. Die digitale Infrastruktur Deutschlands ist im Vergleich zu anderen Industrienationen nicht mehr konkurrenzfähig“, so das ernüchternde Fazit Neumanns.

Handelskonflikt zwischen USA und China verschärft sich

Im Dezember 2018 trafen sich der chinesische Staatschef Xi Jingping und US-Präsident Donald Trump beim G20-Gipfel in Argentinien und einigten sich auf eine Art Waffenstillstand. Seither keimten immer wieder vorsichtige Hoffnungen auf eine Entspannung des Zollstreites auf. Die vergangenen Tage zeigen jedoch das Gegenteil: Der Handelskonflikt wird von beiden Seiten weiter geschürt und droht zu eskalieren. Die USA haben die Einfuhrgebühren für chinesische Produkte im Wert von 200 Milliarden Dollar von zehn auf 25 Prozent angehoben. In einem weiteren Schritt könnten die Zölle sogar auf alle Importe aus China ausgeweitet werden. China reagierte prompt und kündigte zusätzliche Zollabgaben auf amerikanische Waren im Wert von 60 Milliarden Dollar ab Juni an.

Trotz der Handelsstreitigkeiten entwickelte sich auch das US-amerikanische BIP im ersten Quartal überraschend positiv. Michael Neumann geht allerdings davon aus, dass das Wachstum zu einem großen Teil auf die massiven Steuersenkungen Trumps zurückzuführen ist. „Wenn sich der Handelskonflikt mit China ausweitet, dann wird sich die US-Konjunktur ebenfalls eintrüben. Da dieses Szenario gerade wieder wahrscheinlicher ist, erwarte ich auch die amerikanische Notenbank weiter im Beobachtungsmodus.“ In der letzten Sitzung Ende April ließ die Fed den Leitzins vorerst unangetastet.

Bauzinsen nähern sich dem Allzeittief an

Anfang Mai bewegte sich die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe für wenige Tage wieder in den leicht positiven Bereich. Am 14. Mai erreichte sie allerdings mit -0,06 Prozent einen weiteren Tiefstand. Der Bestzins 10-jähriger Hypothekendarlehen orientiert sich an der Rendite der Bundesanleihe und bewegt sich daher ebenfalls weiter bergab: 0,78 Prozent markieren einen erneuten Tiefststand und die Bauzinsen nähern sich damit ihrem Allzeittief von 0,68 Prozent im Oktober 2016 an. Bereits seit Februar liegt der Bestzins konstant unterhalb der 1-Prozent-Marke.

„Eine Lösung des Handelskonfliktes oder der Brexit-Frage ist aktuell nicht in Sicht. Diese und weitere Unsicherheiten wie die Verschuldung Italiens oder der Ausgang der anstehenden Europawahl dämpfen die Konjunktur und die Inflation. Ich rechne für das Jahr 2019 mit weiter niedrigen Zinsen und kaum Aufwärtspotenzial“, erklärt Michael Neumann.